Ein lehrreiches und interessantes Alternativprogramm in und um Albuquerque

Nach dem sehr nassen Abschluss des gestrigen Tages verbunden mit dem Abbruch des Anlasses hofften wir auf Besserung für heute. Es sei aber jetzt schon verraten, dass die erhoffte Besserung heute nicht eintreten sollte. Nach einer überraschend guten Nacht im Zimmer unseres Motel 6, wir vergessen an dieser Stelle den im Zimmer selbständig loslegenden Feueralarm, den herunterhängenen Duschvorhang sowie die nur mit einem grösseren Kraftaufwand zu öffnende Zimmertür und eine dubiose Person, welche auf dem Motelareal wohl gestohlene Papeterie Artikel verkaufte, mussten wir leider feststellen, dass es immer noch regnete. 

Motel 6
Unser Zimmer im Motel 6 in Albuquerque

Regen und Wind bedeuten das Ende eines jeden Heissluftballon Fluges. Im offiziellen App des Veranstalters wurde schon am frühen Morgen darüber informiert, dass alle für heute geplanten Anlässe abgesagt werden mussten. Also für heute stand keine Balloon Fiesta auf dem Programm. Wir überlegten uns Alternativen für den heutigen Tag und kamen zum Schluss, dass an erster Stelle ein ausgiebiges Frühstück stehen sollte. Wir betrieben etwas Recherche und wurden im Central Grill & Coffee House fündig.

Albuquerque
Willkommen im Central Grill & Coffee House
Central Grill and Coffee House
Wir lassen es uns schmecken

Wir wurden nicht enttäuscht, und das durch die mexikanische Küche beeinflusste Frühstück schmeckte uns ebenso wie der Kaffee ausgezeichnet. Glyn hatte die Idee, das Tinkertown Museum zu besuchen. Er und Martyn waren schon einmal dort und hatten viel Spass. Es liegt etwas ausserhalb von Albuquerque in den Bergen in der Nähe des Sandia Peak Skigebietes. Das war eine tolle Idee, und wir machten uns auf den Weg. Es war regnerisch, etwas windig und sehr kühl für die Jahreszeit. Im Tinkertown Museum angekommen, stellten wir fest, dass zahlreiche andere Balloon Fiesta Besucher auch auf diese Idee gekommen waren. So mussten wir etwas warten, bevor wir eintreten konnten.

Tinkertown
Wir betreten das Tinkertown Museum
Tinkertown
Allerlei Unterhaltung von früher

Das Tinkertown Museum ist auf jeden Fall einen Besuch und den Eintritt wert. Auf engstem Raum findet am allerlei Unterhaltsames von Jahrmärkten aus früheren Jahren, so zum Beispiel eine die Zukunft vorhersagende orientalische Frau, originelle Musiker oder die Schuhe des grössten Menschen der Welt. Verschiedene Wild West Szenen oder ein alter Zirkus sind bis ins kleinste Detail nachgebaut. Zahlreiche Details wie zum Beispiel der Ofen einer Schmiede sind mechanisch bewegt, und die unzähligen Musik- und Sprechautomaten nehmen die Quarter Münzen der Besucher gerne entgegen. Diese fühlen sich zurückversetzt in die Zeit der zviellichten Gaukler und  der dubiosen Schausteller die auf den alten Jahrmärkten oder im Zirkus ihr Unwesen trieben. Nicht zu vergessen sind zahlreiche Wunderwässerchen, die alles heilen, und in bunten Flaschen verkauft wurden und heute im Tinkertown Museum ausgestellt werden.

Im Freien sind noch viele grössere aber auch kleinere Memorabilien aus der Wild West Zeit ausgestellt. Auch dies ist absolut sehenswert. 

Der heutige Tag war noch lang, und es stellte sich die Frage, was wir noch unternehmen wollten. Martyn hatte im Motel 6 einen Flyer des Harvey House Museums in Belen mitgenommen und schlug vor, dieses zu besuchen. Margot und mir sagte dies nicht viel, es tönte jedoch interessant, und wir waren gespannt. So war der nächste Halt in Belen im Pete’s Cafe, welches direkt gegenüber des Harvey House Museums liegt. Gross Hunger hatten wir nicht, dafür war das Frühstück zu ausgiebig. Kaffee und Kuchen geht aber immer, sagten wir uns. Und genau so war es auch. Nichts für Kalorienzähler aber einfach lecker. Das Pete’s Cafe wurde im Jahr 1949 gegründet und ist inwändig mit vielen historisch interessanten Gegenständen geschmückt.

Pete's
Wir kehren im Pete's Cafe ein
Belen
Die Kalorien werden nicht gezählt

Nun wurde es aber höchste Zeit für den nächsten kulturellen und geschichtlichen Höhepunkt des Tages, unseren Besuch des Harvey House Museums. Der Besucherandrang hielt sich in Grenzen, und wir kamen in den Genuss einer individuellen Führung durch das Museum.

Fred Harvey lebte von 1835 bis 1901 und wurde in England geboren. Im Alter von 15 Jahren wanderte er nach Amerika aus. Unmittelbar nach seiner Ankunft im neuen Land arbeitete er als Tellerwäscher in einem Restaurant. Er lernte das Gastronomiegeschäft von grundauf und im Jahr 1876 gründete er eine Partnerschaft mit der Atchison, Topeka & Santa Fe Railroad.  Fred Harvey erhielt die exklusiven Rechte, Essräume und Restaurants sowie Hotels entlang der Zuglinien zu betreiben. Sein Verständnis für Details, Qualität und Kundendienst veränderten die langen Zugreisen grundlegend. Für die Umsetzung und Aufrechterhaltung seiner Grundsätze waren die Harvey Girls verantwortlich.

Zwei Harvey Girls
Fred Harvey
Broschüre von 1909

Die ikonischen Harvey Girls waren berühmt für die Einhaltung der Grundsätze. Alleinstehende Frauen wurden angestellt und für ihre einmonatige Ausbildung nach Vaughn in New Mexico entsandt. Nach Abschluss der Ausbildung nahmen sie in dem ihnen zugeteilten Harvey House ihre Arbeit auf. In den meisten Fällen schliefen sie in Schlafsäälen oberhalb des Restaurants wo sie arbeiteten. Sie wurden angehalten, während der Dauer ihrer Anstellung keine Beziehung einzugehen und sich mit den Gästen unter keinen Umständen zu verabreden.

Das nebenstehende Bild zeigt die weitreichenden Regeln, welche die Harvey Girls auf jeden Fall beachten und ausnahmslos einhalten mussten. Der Arbeitstag begann mit Aufbrühen von frischem Kaffee, Putzarbeiten und Auftragen des silbernen Bestecks. Noch vor Arbeitsbeginn wurde kontrolliert, dass keine Schminke aufgetragen wurde und die einzigartigen Uniform keine Flecken aufwies. Der Monatslohn betrug ungefähr $ 17.50. Darin enthalten waren freie Kost und Logie sowie die Arbeitskleidung und Trinkgeld.

Die Einhaltung der Regeln oblag vor Ort einem Senior Harvey Girl einer Art Anstandsdame.

Der Ablauf in den Fred Harvey Speisesäälen war genau geplant, und die Prozesse im Detail einstudiert. Das Essen wurde frisch jedoch kurz im Voraus zubereitet. Als der Zug einfuhr, betraten die Fahrgäste das Restaurant und hatten gerade soviel Zeit für die Einnahme der Mahlzeit, wie das Zugpersonal für die Aufnahme von frischem Wasser und Kohle benötigte. Dann ging die Fahrt weiter und im Restaurant bereitete man die Einfahrt des nächsten Zuges vor.

Zur Blütezeit wurden 84 Fred Harvey Restaurants betrieben, und so gilt das Fred Harvey Imperium als die erste und somit älteste Restaurant Kette in den USA. Deren Niedergang läutete die rasche Ausbreitung des Autoverkehrs und des damit verbundenen Strassenbaus ein. Die Fahrt mit dem Zug wurde weniger attraktiv und das Gästevolumen nahm drastisch ab. Dies führte zur Schliessung der meisten Fred Harvey Restaurants und Hotels. Einige wenige, wie zum Beispiel das La Posada Hotel in Winslow, Arizona, werden heute noch als teure Boutique Hotels betrieben.

Die Führung durch das Fred Harvey Museum war einzigartig. Unter kundiger und beinahe leidenschaftlicher Führung wurden wir mit Details und Hintergrundgeschichten vertraut gemacht. Wir besuchten die Speisesääle, Bibliothek, Büro sowie Schlafgemächer. Alle Räume sind original eingerichtet und das einzige was fehlt, ist die dampfende Einfahrt des nächsten Zuges mit seinen hungrigen und durstigen Fahrgästen.

Wer nun denkt, das es das für heute war, der irrt sich. Voller toller Eindrücke machten wir uns auf den Weg zurück zur geschichtsträchtigen Altstadt von Albuquerque

Albuquerque ist mit seinen knapp 600’000 Einwohnern die grösste Stadt des Bundesstaates New Mexico. Die Stadt erstreckt sich über eine Höhenlage zwischen 1’490 und 1’631 Metern. 

Albuquerque wurde bereits in der Zeit zwischen den Jahren 1100 und 1300 von den Anasazi besiedelt.

Im Jahr 1540 durchquerte der spanische Conquistador Francisco Vásquez de Coronado die Gegend auf der Suche nach den sagenhaften sieben goldenen Städten von Cibola. Einige Kilometer nördlich des heutigen Albuquerque überwinterte er mit seinen Männern bei Pueblo Indianern. Der Ort wurde nach Francisco Fernández de la Cueva, dem achten Herzog von Alburquerque und Vizekönig von Neuspanien, benannt.  Im Jahr 1706 gründeten spanische Siedler dann die heutige Old Town von Albuquerque. Im Jahr 1880 erfolgte der Anschluss an die Eisenbahn.

In der Altstadt befinden sich heute noch historische Gebäude. Viele Neubauten lehnen sich an den traditionellen Adobe Baustil an. Ein grosser Teil der in Albuquerque lebenden Menschen hat lateinamerikanisch spanische Wurzeln (Quelle: Wikipedia).

Wir schlenderten durch die Altstadt und besuchten einige der zahlreichen Geschäfte. Es herrschte reger Betrieb und das Wetter klarte auf, was uns für den kommenden Tag in Sachen Balloon Fiesta optimistisch stimmte. Wir fuhren zurück ins Motel 6 und machten uns für das Nachtessen bereit. Auf dem Parkplatz nahmen wir einen Apéro aus dem Kofferraum. Erstaunlich, was Glyn, Martyn und Paul so alles in ihrer Kühlbox im Kofferraum ihres Mietautos mitführten.

Zum Nachtessen liessen wir uns im Restaurant Cocina Azul in Albuquerque verwöhnen. Das Essen in absolut authentischer Athmosphäre schmeckte ausgezeichnet. Danach ging es wieder zurück ins Motel 6. Morgen hiess es in aller Frühe aufstehen, denn die Balloon Fiesta erwartete uns.

PHOTO GALERIE
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