Gemäss dem Wetterbericht hatten wir uns auf Regen eingestellt, und nun sassen wir da und frühstückten im Freien vor unserem VW Büssli. Dennoch entschieden wir uns, heute die diesjährige Tour de Suisse abzuschliessen. Dafür wählten wir die malerische Ortschaft Gruyère im
im Kanton Fribourg. Eigentlich hätten wir noch gut ein oder zwei Nächte im Wallis auf dem schönen Campingplatz Santa Monica anhängen können. Aber es ist halt so, im Nachhinein ist man immer klüger. So machten wir uns auf den Weg in Freiburger Land. Ab Höhe Martigny wählten wir uns absolut unbekannte, enge Nebensträsschen, welche uns durch die Waadtländer Alpen führten. Oftmals wäre das Kreuzen von Fahrzeugen kritisch gewesen. Unser Weg führte uns durch Ortschaften wie Les Plan sur Bex, Barboleuse oder Villars sur Olon, deren Namen wir nie zuvor gehört hatten.
Wir näherten uns dem bekannten Wintersport Ort Les Diablerets, wo auf dem Gletscher bin in den Sommer hinein Ski gefahren werden kann. Zuvor erreichten wir den auf 1’778 Metern Höhe liegenden Col de la Croix. Dieser verbindet Bex und Les Diablerets. Im Winter, wenn die
Passstrasse für den Verkehr gesperrt ist, wird die Strecke als Schlittelbahn benutzt. Die heutige Passstrasse wurde im Jahr 1971 den Verkehr übergeben. Beinahe zweihundert Jahre früher, am 5. März 1798, hatten an dieser Stelle die Saaner die französischen Truppen von Napoleon zurückgeschlagen. Anstatt blutige, militärische Konflikte auszutragen, lässt man sich heutzutage auf der Passhöhe beim Beizli Chez Francine mit Kaffee und selbstgemachtem Kuchen verwöhnen. Dem konnten wir uns natürlich nicht entziehen. Nahe der Passhöhe liegen auf beiden Strassenseiten die durch Erosion spitz geformten Gipspyramiden.
Zur Linken noch ein Bild, welches ich bei Wikipedia hab finden können. Es zeigt die Vorbereitungen zu letzten Postkutschenfahrt zwischen Aigle und Les Diableret vom 22. Dezember 1913. Danach wurde die Verbindung wohl mit motorisierten Postautos bedient. Das Käsefondue und damit
die pittoreske Ortschaft Gruyère lagen in Reichweite. Als wir um ungefähr 15:00 Uhr in Gruyère ankamen, staunten wir nicht schlecht. Wir erwarteten halbleere Parkplätze und Gastwirtschaften. Aber dem war nicht so. Die etwas unterhalb der autofreien Ortschaft liegenden Grossparkplätze waren weitestgehend besetzt. An diesem wettermässig mittelprächtigem Sonntag Nachmittag nutzten zahlreiche Fribourger und Waadtländer die freie Zeit für einen Ausflug in das mittalalterliche Städtchen. Es war wohltuend zu hören, dass man in Gruyère dank Covid-19 mehrheitlich wieder Französisch anstatt Englisch oder Chinesisch spricht.
Die Grafschaft Greyerz war vom 11. Jahrhundert bis zum Jahr 1555 ein bedeutendes Herrschaftsgebiet in der Westschweiz und umfasste das obere Saanetal. Im Jahr 1555 wurde sie in die zwei Vogteien Greyerz und Saanen aufgeteilt, da der letzte Graf, Michael von Greyerz, bei Fribourg und Bern hoch verschuldet war. Das stolze Wappentier der Greyerzer war der Kranich (französisch «la grue»), der heute auch das Wappen von Greyerz ziert und im französischen Namen mitgeführt wird. Während der rund 480 Jahre dauernden Herrschaft der Grafen von Greyerz sind 19 Grafen historisch belegt. Nach einigen Gebietsveränderungen wurde mit dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung im Jahr 1848 Bulle zum neuen Hauptort des Bezirks Gruyère bestimmt
Unabhängig der Herkunft der Besucher werden traditionelle Bräuche gepflegt. Dazu gehören Fahnenschwingen wie auch Alphornblasen, aber auch das berühmte Käsefondue. Und genau auf das hatten wir uns die letzten Tage auch gefreut. Die Restaurants waren an diesem späteren Sonntag Nachmittag noch alle gut besetzt. Wir hatten Glück und fanden einen freien Tisch im alten Restaurant Chalet de Gruyères am oberen Ende des grossen Dorfplatzes. Das rustikale Dachgeschoss war ausgebucht und glich einem Corona Hotspot. Von Abstand halten keine Spur. So waren wir froh, im Erdgeschoss bedient zu werden.
Die Speisekarte mussten wir eigentlich gar nicht studieren, denn wir wussten, weshalb wir hier waren. Fribourger Vacherin Fondue mit Brot, Silberzwiebeln, Cornichons und Kartoffeln sowie eine grosse Portion Trockenfleisch und ein oder zwei Glässchen vom lokalen Weisswein wurden serviert. Es schmeckte köstlich. Nach dem Fondue war noch Platz für Dessert. Die Zählung der Kalorien ist bei Doppelrahmstufe und mindestens 50% Fettgehalt nicht mehr angebracht. Umso besser hatte es geschmeckt. Auch die Tarte maison à la crème double de la Gruyère schmeckte köstlich.
Dieser Beitrag über Gruyère wäre unvollständig, ohne den bekannten Schweizer Künstler HR (Hans Rudolf) Giger erwähnt zu haben. Als Szenen- und Kostümbildner prägte er mit seinem Stil bekannte Filme wie Alien (1979) oder Species (1995). Für seine Mitwirkung an Alien wurde HR Giger im Jahr 1980 ein Oscar in der Kategorie Beste visuelle Effekte verliehen, und sein Stil wurde einem breiteren Publikum bekannt. Mit seinen finsteren Zeichnungen, düsteren Plattencovern und Kreationen prägte er über Jahrzehnte die Ästhetik der Death- und Black-Metal Szene. Auch das Plattencover KooKoo für Debbie Harry und das Cover Brain Salad Surgery für Emerson, Lake and Palmer gelten als Meilensteine.
HR Giger fand in Gruyère seine letzte Ruhe. Im zu Ehren wurde ein Museum sowie ein HR Giger Kaffee eröffnet. Leider fanden wir dort keinen einzigen freien Platz mehr.
aus weiter in Richtung zuhause. Die Heimfahrt zog sich infolge des sonntäglichen Ausflugsverkehrs etwas in die Länge. Wir sind aber gut am Sonntag abend bei Sonnenschein in Amden angekommen. Der angesagte Regen blieb also definitiv aus. Das Fazit kann also wirklich nur lauten: «Spontaner handeln und sich nicht vom Smartphone Wetter App leiten lassen».