Auf der Suche nach der Rheinquelle hoch oben in den Bündner Alpen

Wir hatten in der Bretagne im Frühling schon kältere Nächte erlebt. Am frühen Morgen betrug die Temperatur 8 Grad Celsius und pünktlich um 8:00 Uhr öffnete der Kiosk, und wir holten unser bestelltes Brot ab. Es hiess, Energie tanken, denn vor uns lag eine strenge Alpinwanderung mit einer satten Höhendifferenz von gegen 800 Metern. Kurz nach 9:00 Uhr brachen wir unser Lager ab. Der Campingtisch und unsere neuen Stühle blieben zurück. Wir machten uns auf den Weg zum Oberalppass, dessen Passhöhe auf 2’044 Meter über Meer liegt.

Die Passstrasse ist eigentlich recht gut ausgebaut. Nur an einer Stelle gibt es Ausweichstellen, was aber keine Probleme gibt. Leider lädt die gut ausgebaute Strasse auch immer wieder Volldeppen zum Rasen und zu selbstmörderischen Überholmanövern ein. Wir sind gut auf der Passhöhe angekommen und waren überrascht, hier oben am Freitag so viele parkierte Fahrzeuge auszumachen. Parkplätze sind ausreichend vorhanden und für Fr. 5 kann 24 Stunden parkiert werden. Davon machen auch viele Wohnmobil Reisende Gebrauch, indem sie hier oben übernachten.

Oberalppass
Unterwegs zum Oberalppass

Unmittelbar westlich der Passhöhe liegt der leicht angestaute Oberalpsee. Der «Glacier Express» überquert den Pass in einem kurzen Tunnel und ist damit neben der Berninabahn die einzige Bahnstrecke der Schweiz, die auf einer solchen Höhe ohne längeren Tunnel auskommt. Der Fahrbetrieb über die Passhöhe wurde im Jahr 1926 aufgenommen.

In den Jahren 1862 und 1863 wurde eine erste Strasse über den Pass gebaut. Die Hauptstrasse 19, die über die Passhöhe führt, wird im Winter geschlossen. Die Öffnungszeiten des Passes variieren je nach Schneelage ab Mitte April bis maximal Anfang Dezember. Eine limitierte Anzahl Fahrzeuge kann im Winter mittels Autoverlad zwischen Andermatt und Sedrun transportiert werden (Quelle: Wikipedia).

Oberalppass
Wir brechen auf in Richtung Pazolastock vorbei am Leuchtturm Rheinquelle

Im Winter herrscht ab der Passhöhe Betrieb mit Alpinskifahrern, aktiven Schneeschuhläufern und zahlreichen Tourenskifahrern. Ein Skilift führt via den Calmut ins Skigebiet von Sedrun, eine Gondelbahn unter den Gipfel des Schneehüenerstocks. Diese 10er-Gondelbahn ist das Herzstück der Verbindung der Skigebiete  von Sedrun und Andermatt und wurde im Dezember 2018 eröffnet.

Seit dem Oktober 2010 steht auf der Passhöhe der Leuchtturm Rheinquelle, ein verkleinerter Nachbau des 14 Meter hohen Turms, der 70 Jahre lang in Hoek van Holland an der Rheinmündung stand. Es handelt sich um eine touristische Werbeaktion, die im Auftrag von Sedrun Disentis Tourismus und Schweiz Tourismus entwickelt wurde. Die Aktion soll entlang des Rheins für die Ferienregion werben (Quelle: Wikipedia).

Vor uns lagen 800 Höhenmeter, und der Wanderweg stieg konstant, sodass wir schnell an Höhe gewannen. Der Weg führt über satte Alpwiesen vorbei an tollen Verwerfungen des Grantigesteins und alten Militärstellungen, welche vermutlich aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg stammen. Der höchste Punkt unserer Wanderung, der 2’739 Meter hohe Pazolastock, rückte immer näher.

Schneehüenerstock
Ein Blick aus der alten Militärstellung hinüber zum Schneehüenerstock
Pazolastock
Ewiger Schnee und Gletscher prägen das alpine Bild am Horziont

Sicheren Schrittes ging es hinauf auf den Gipfel des Pazolastocks. Der letzte Abschnitt führt den Grat hinauf. Ausser guter Kondition bedarf es aber keinerlei Kletterkünste oder anderer alpiner Begabungen. Es öffnet sich nun der Blick hinunter nach Andermatt im Kanton Uri. Der Grat bildet übrigens die Grenze zwischen den beiden Bergkantonen Uri und Graubünden. Dasselbe gilt für die Sprachgrenze zwischen Ürner-deutsch und Romanisch. Die Skianlagen von Andermatt waren nun auch gut sichtbar. Stellenweise lag noch frischer Schnee, welcher am letzten Wochenende fiel. Noch ein paar Schritte, und das erste Etappenziel war erreicht. Der Pazolastock war bezwungen. Wir befanden uns auf

Pazolastock
Kurz vor Erreichen des Pazolastocks

einer Höhe von 2’739 Meter über Meer und legten etwas unterhalb des Gipfels erst einmal eine verdiente Verpflegungspause ein. 

Pazolastock
Auch etwas Süsses fand den Weg auf den Pazolastock

Der Pazolastock wird im Sommer wie auch im Winter bestiegen. Lange stand auf dem Sattel unterhalb des Gipfels eine Baracke der Schweizer Armee. Entgegen ursprünglicher Pläne aus dem Jahr 1886 wurde am Oberalppass aus Kostengründen kein grosses Artilleriewerk gebaut, dafür zurückliegend das Fort Stöckli. In der Ausbauphase von 1895 bis 1910 wurden am Pazolastock Arbeiten ausgeführt, um die rechte Flanke der Passstrasse zu schützen. Dazu gehörte auch ein Weg auf die Pazolaalp am Westhang des Berges. Im anschliessendene Jahrzehnt wurde eine infanteristische Verteidigungslinie eingerichtet. Noch heute zeugen Schützengräben und Mauern am Nordhang des Pazolastocks von diesen militärischen Aktivitäten (Quelle: Wikipedia).

Pazolastock
Vom Pazolastock unterwegs zur Badushütte und zum Lai da Tuma

Nach der verdienten Pause ging es dem Grat entlang weiter zur Marschallücke, von wo aus der Weg zur Badushütte abzweigt. Die Hütte steht unter der Verwaltung des SAC. Dieser kurze Abschnitt zwischen Pazolastock und der Abzweigung ist wirklich interessant und macht richtig Spass. 

Martschallücke
Auf der Suche nach dem Weg mitten durch den Felsgarten

Wir hatten aber etwas Mühe, nach der Pause wieder in Gang zu kommen. Trotz der schon etwas verwitterten Wanderwegmarkierungen muss man sich den Weg durch einen Felsengarten stellenweise suchen. An einer Stelle sind auch Kletterkünste von Vorteil. Es ist aber immer sicher. Trittsicherheit ist aber gefordert. Bald ist die Marschallücke erreicht. Hier beginnt der Abstieg zur Badushütte. Das ging ganz schön in die Knie und einmal mehr hat sich bewiesen, dass es einfacher ist, hinauf zu laufen als hinab. Wir nahmen uns die Zeit, die wir brauchten.

Badushütte
Kopf einziehen, denn es wird hier etwas eng !

Die Badushütte liegt auf der Alp Tuma auf einer Höhe von 2’502 Meter nördlich des 2’928 Meter hohen Badus (auch Piz Badus oder Six Madun) und am östlichen Ausläufer des Fil Tuma, eines wegen seinen eindrücklichen Gesteinsverwerfungen markanten Grats. Im Talboden befindet sich unterhalb der Badushütte in südöstlicher Richtung auf einer Höhe von 2’344 Metern der Lai da Tuma (Tomasee), der als Quelle des Rheins gilt. Die Badushütte bietet 20 Lagerschlafplätze und hat keinen öffentlich zugänglichen Winterraum. Ursprünglich stand hier eine alte Militärhütte, welche vom SAC für Fr. 50 (!) gekauft wurde. Die heutige Badushütte wurde in den Jahren 1966 und 1967 erstellt. Sie wird zwischen Juli und September bewirtet.

Wir erreichten die Badushütte und füllten unsere Trinkflaschen mit frischem, kühlem und ganz sicher Covid-19 freiem Quellwasser. Auf der Sonnenterrasse waren zahlreiche Wanderer anzutreffen. Wir alle genossen die tolle Lage und das schöne Wetter. Die Hütte ist bewirtet, jedoch ohne Alpbetrieb.

Badushütte
Die Badushütte lädt zum Verweilen ein
Badushütte
Die Alp Tuma mit Badushütte und dem Lai da Tuma im Hintergrund

Im Talboden befindet sich unterhalb der Badushütte in südöstlicher Richtung auf einer Höhe von 2’344 Metern der Lai da Tuma (Tomasee), der als Quelle des Rheins gilt. Aufgrund seiner geografischen Lage ist der Badus (Six Madun) trotz seiner mässigen Höhe ein hervorragender Aussichtsberg mit Fernblicken mehreren grossen Massiven der Schweizer Alpen. Der Gipfel liegt auf  der Wasserscheide zwischen dem Vorderrhein und der Reuss (Quelle: Wikipedia). 

Wir machten kurz Rast, tranken einen Kaffee und Shorley. Dazu gab es eine stärkende Toblerone Schokolade. Dann ging es weiter, und der Weg führte unterhalb der Badushütte weiter über die Alp Tuma durch ein Quellgebiet mit mit dem Rein da Tuma als Zufluss und gleichzeitig auch Abfluss des Lai da TumaDer Wanderweg führt direkt zum wunderbar gelegenen Lai da Tuma.

Der Rein da Tuma ist der Oberlauf des Vorderrheins. Die Quelle liegt  direkt unterhalb der Martschallücke, durchquert die Alp Tuma und mündet in den Lai da Tuma. Bevor er den See erreicht, durchfliessen seine Quellbäche die Ebene und bilden kleine Flussschlingen. Der Rein da Tuma verlässt den Lai da Tuma in nordöstlicher Richtung. Nach knapp zwei Kilometern wird in einer Wasserfassung meist das gesamte Wasser entnommen und Curnera Stausee zugeleitet. Nach der Einmündung eines namenlosen Baches oberhalb der Ortschaft Tschamut erfolgt der Namenswechsel zu Vorderrhein. So fliesst also das Wasser der eigentlichen Rheinquelle in den naheliegenden Stausee und nicht bei Rotterdam in die Nordsee.

Tomasee
Der Rein da Tuma mit der Martschallücke im Hintergrund
Rein da Tuma
Der Rein da Tuma fliesst in den Lai da Tuma umrahmt von markanten Bergzügen

Na ja, soviel zum Thema «Fake News». So oder so, eindrücklich ist es auf jeden Fall. Wir verweilten eine kurze Weile am See, bevor wir in Richtung Oberalppass aufbrachen. Der Wanderweg führt dem linken Seeufer entlang hinauf zu einer Art Kuppe, wo noch ein Rheinquelle Gedenkstein aufgestellt wurde. Von hier aus hat man noch eine sehr schöne Panoramasicht hinunter zum Lai da Tuma.

Tomasee
Blick über Lai da Tuma nach Westen

Der schöne Wanderweg führt nun kurvenreich hinab und ein Teil der 300 Meter Höhendifferenz bis hinunter zum Oberalppass wird schnell hinter sich gelassen. Immer wieder überqueren kleine Bäche den Wanderweg.  Das bereitete uns aber keine Probleme, und auch unsere Socken blieben trocken. Dafür wurden unsere Knie immer weicher.

Oberalppass
Unterwegs zurück zum Oberalppass

Von Weitem war schon der heulende Lärm der hochdrehenden Motoren der Motorräder und Sportwagen, welche aus den Haarnadelkurven der Passstrasse hinaus beschleunigen, zu hören. Das gehört halt auch dazu, aber hoch oben in der alpinen Welt des Pazolastocks war es schon wesentlich ruhiger und abgeschiedener. Der letzte Abschnitt des Weges führt dann leicht ansteigend der Passstrasse entlang hinauf zum Ausgangspunkt der heutigen Wanderung.

Am frühen Abend sind wir gut beim Parkplatz auf dem Oberalppass angekommen. Hinter uns lag eine unvergessliche Alpinwanderung durch eine der schönsten Gegenden der Schweiz.

Nun «befreiten» wir uns von den Bergschuhen und fuhren auf direktem Weg hinunter nach Disentis, wo wir den Tag gemütlich auf dem TCS Campingplatz ausklingen liessen.

EIGENSCHAFTEN

Ausdauer
4/5
Schwierigkeit
2/5
Alpin
4/5
Voralpen
0/5
Wald und Wiese
0/5
Szenerie
5/5
Dauer
5/5
Spassfaktor
4/5
Verpflegung
4/5
ÖV Anbindung
4/5

EINIGE ZAHLEN

DETAILLIERTE WANDERKARTE

GOOGLEMAPS KARTENANSICHT

BÜCHER EMPFEHLUNG

PHOTO GALERIE

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