Ein lang gehegter Plan konnte heute umgesetzt werden. Alles passte. Das Wetter sollte auch heute wieder wunderschön sein, jedoch sollte die erwartete Tagestemperatur 10 Grad Celsius nicht überschreiten. Immer noch besser als 43 Grad Celsius im Hochsommer. Es sprach also alles für unser Vorhaben, eine der schönsten Wanderungen im Westen der USA zu machen. Es handelt sich dabei um den Chesler Park und Joint Loop Trail im Needles District des Canyonlands National Park.
Eines war von Anfang an klar. Früh aus den Federn und spät heimkehren und dazwischen eine 18 Kilometer lange und anspruchsvolle Wanderung inmitten einer der schönsten Gegenden im ganzen Südwesten der USA. Doch dazu gleich mehr. Früh aufstehen war kein Problem. Frühstück gab es im Love Muffin in Moab. Wir waren bei Türöffnung um 6:30 Uhr die ersten Gäste, was sich aber schnell änderte. Die zahlreichen Outdoor Enthusiasten freuten sich alle auf eine Tasse heissen Kaffee und etwas zu essen.
Jetzt aber aufbrechen. Vom Love Muffin bis zum zum Trailhead beim Elephant Hill im Needles Distrikt sind es immerhin 129 Kilometer oder eine Fahrzeit von zwei Stunden. Wir wählten bewusst den heutigen Sonntag, da dann die grosse Baustelle entlang des Highway 191 südlich vom Hole ‘N’ the Rock geschlossen war. Wochentags sind dort Wartezeiten von bis zu einer Stunde zu vermelden. Die Fahrt bei Sonnenaufgang im beheizten Auto war wunderschön. Die Aussentemperatur lag bei minus 5 Grad Celsius ! Das wird sich noch ändern, hofften wir.


Im Visitor Center informierten wir uns bei einem der diensthabenden Park Ranger über den allgemeinen Zustand und die Bedingungen des Trails. Dann ging es weiter in Richtung Needles District Campground. Ab hier (GPS Koordinaten: 38°09’00.0″N 109°48’03.6″W) ist die Strasse nicht mehr asphaltiert. In engen und teilweise nicht überschaubaren Kurven windet sich die Strasse durch den Needles District. Wir lagen gut im Plan und sind etwas nach 9:00 Uhr beim Elephant Hill Parkplatz angekommen. Wir machten uns bereit. Der Trailhead liegt unmittelbar beim Parkplatz (GPS Koordinaten: 38°08’30.1″N 109°49’38.2″W). Das Abenteuer konnte beginnen. Die Temperaturen waren schon etwas angenehmer als noch zuvor und schon nach der ersten kleinen Steigung war die Betriebstemperatur erreicht. Man ist bereits inmitten der Wunder- und Märchenwelt des Needles Districts. Bizarre und farbenprächtige Felsformationen prägen das Bild. Bereits jetzt schon besteht die Gefahr, zu viel zu fotografieren und damit wertvolle Zeit zu verlieren. Wir beherrschten uns. Das eine oder andere Foto musste aber schon gemacht werden. Wir gehören ja nicht zu der Art von Wanderern, die eine Rekord aufstellen müssen.


Nach zwei Kilometern mündet ein Wanderweg vom Needles District Campground in den Chesler Park Loop Trail ein (GPS Koordinaten: 38°07’31.1″N 109°49’57.4″W). Wir können das ganze Gebiet für uns beanspruchen. Nur wenige Wanderer sind heute trotz besten Bedingungen unterwegs. Wenig hundert Meter später befinden wir uns in einer komplett anderen Landschaft. Ein sogenannter Joint öffnet sich vor uns. Dabei handelt es sich um eine Art Slot Canyon, welcher aber nicht durch Erosion, sondern durch das Auseinanderklaffen von zwei riesigen Felsbrocken entstanden ist. Wir machten uns dünn und konnten gerade noch so hindurchgehen (GPS Koordinaten: 38°07’29.8″N 109°50’15.3″W). Geschafft ! Kurz danach bestünde schon die Möglichkeit, auf einem der beiden primitiv Campgrounds (Take in – Take out Prinzip) zu übernachten. Das wird auch rege genutzt. Zwei Gruppen kamen uns entgegen. Sie hatten die letzte Nacht hier draussen verbracht. Das geht natürlich nicht einfach so. Zum einen muss man die nötige Ausrüstung dazu haben und zum anderen benötigt man ein Permit sowie eine Reservationsbestätigung. Campingplätze müssen monatelang im Voraus gebucht werden, sonst geht hier gar nichts. Der Needles District Campground macht bei einem Loop eine Ausnahme. Hier gilt das First Come – First Serve Prinzip oder der Run auf die Plätze mag beginnen ! Wir hatten diese Erfahrung ja letzten Herbst im Island in the Sky Distrikt gemacht (Link).

Der Weg bietet immer wieder tolle Überraschungen, und wir gewannen mit jedem Schritt neue und bleibende Eindrücke. Der Elephant Canyon ist einer solcher. Völlig überraschend führt der Weg durch diesen Canyon auf eine Anhöhe, auf welcher man den Ziel des ersten Abschnitts andeutungsweise sehen kann. Es ist eine Art Schneise auf der Anhöhe. Diese Schneise ist der Einstiegspunkt in den Chesler Park. Sie ist im unteren Panorama Bild links zu sehen.

Der Weg führt auf Sand und Slickrock hinauf zur Schneise. Einen ersten Teilabschnitt haben wir bereits geschafft. Der Chesler Park blieb uns bisher verborgen. Erst hier oben in der Schneise stehend wird einem klar, weshalb er als Park bezeichnet wird. Hinter der Schneise eine Hochebene umgeben und abgeschirmt von turm- und mauerhaften, roten Sandsteinformationen. Eine nicht urheberrechtlich geschützte Luftaufnahme, welche ich im Internet habe finden können, macht dies besonders deutlich.

Jetzt stehen wir hier oben und sind einrücklicher Teil des Ganzen. Von hier oben führt der Weg leicht hinunter zur Hochebene. Über den gut markierten Trail wandert man entlang der impossanten Felsformationen, welche den Chesler Park umrahmen. In der Luftaufahme links kommt das ganz gut zur Geltung. Das Wandern ist hier oben etwas weniger beschwerlich als vorher, als es über Stock und Stein ging. Wir suchen uns ein schönes Plätzchen und machen eine wohlverdiente Pause. Wir sind weit und breit die einzigen Wanderer, die sich hier aufhielten. Allzu lang konnten wir nicht verweilen, auch wenn der schöne Platz dazu einlud, denn an dieser Stelle hatten wir noch nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft.


Wir liefen im Uhrzeigersinn und wussten, dass wir am späteren Nachmittag wieder bei der Schneise oben angelangen sollten. Was dazwischen lag, konnten wir nur erahnen. Natürlich hatten wir uns vorbereitet. Wir gehören ja nicht zu der Art von Wanderern, die einfach mal drauflos laufen. Aber hier in der Weite dieser unfassbaren Natur sieht alles ganz anders aus. Auch die Distanzen sind weiter als sie auf der Karte erscheinen. Wir kamen gut voran und hatten den hinteren Teil der Chesler Park Hochebene erreicht, als uns ein Park Ranger entgegen kam. Er war auf Patrouille und hat uns freundlich gefragt, was unsere Pläne waren. An dieser Stelle (GPS Koordinaten: 38°06’23.1″N 109°50’58.2″W) hat man auch die Möglichkeit, zum Druid Arch zu wandern. Dieser liegt 3.9 Kilometer entfernt am Ende eines zerklüfteten Seitentals. Das war aber nicht unser heutiger Plan. Wir folgten unserem Trail weiter. Dieser geht in den Joint Trail über.

Damit war auch klar, was vor uns liegt. Davon hatten wir schon oft gehört und im Internet Bilder gesehen. Es war eine ziemlich lange und sehr enge, schmale Schlucht, The Joint genannt. Eben kein Slot Canyon, weil nicht durch Erosion entstanden. Ein Steinmännchen (Cairn) zeigte uns den Weg zur Schlucht, an welcher kein Weg vorbeiführte. Wir sollten hindurch passen, soviel sei schon mal verraten. Bevor man die Schlucht betritt, führt der Weg tief und steil hinab. Treppenstufen wurden in den Fels geschlagen, um den Weg sicherer zu machen. Keine schlechte Idee, dachten wir uns. Erst wenn man unten angelangt ist, wird einem klar, wie eng das hier unten wirklich ist. Wir schlängelten uns durch die 600 Meter lange Schlucht. Sie schien unendlich. Für 600 Meter lange Wegstrecke hätte man in normalem Gelände wohl keine zehn Minuten. Vor lauter Staunen und immer wieder neuen Entdeckungen und Eindrücken verbrachten wir wohl gegen eine Stunde im The Joint. Die Zeit war es allemal wert. Auch der Lichteinfall war absolut spektakulär. Erst ganz am Schluss kam uns eine geführte, kleinere Wandergruppe entgegen. Wir fragten uns, wie sie es wohl bis hierher geschafft haben. Die Antwort folgt im nächsten Abschnitt.

Die Bilder sprechen für sich, oder ? Der Streckenabschnitt durch The Joint ist sicher ein Höhepunkt dieser Wanderung. So langsam aber sicher, hatten wir das hinterste Ende erreicht und nach unseren Schätzungen sollte der Trail uns nun in Richtung Schneise zurück führen. Und dem war auch so. Zuvor löste sich aber das Rätsel um die kleine, geführte Wandergruppe. Kurz nach Verlassen des The Joint gelangten wir an einen Parkplatz mit sanitärer Einrichtung. Hier stand auch das Offroad Fahrzeug des Führers. Die Gruppe muss also mit dem 4×4 Fahrzeug bis hierher gefahren sein. Das ist auch möglich, wie unsere Nachforschungen ergeben haben. Sollte dies uns auch möglich sein, würden wir es beim nächsten Besuch auch wagen.

Vom Offroad Parkplatz führt der Weg wirklich wieder zurück, im ersten Abschnitt auf der Offroad Sandstrasse. Gemäss den Reifenspuren scheint diese beliebt zu sein. Nach 1.1 Kilometern darf man die wichtige Abzweigung (GPS Koordinaten: 38°06’39.9″N 109°52’10.9″W) des Trails nicht verpassen. Eigentlich ist das gar nicht möglich, ist sie doch gut beschildert. Der Trail führt in einen weiteren Teil des Chesler Park, der Devils Kitchen, oder auf Deutsch die Teufelsküche. Wir hofften, da nicht hinein zu geraten. Der Weg führt über Sand und Slickrock und windet sich hinauf und dann wieder hinab. Man hat das Gefühl, nicht vorwärts zu kommen und die Orientierung zu verlieren.

Vorwärts kamen wir, und vom Weg sind wir auch nicht abgekommen. Das Gebiet der Devils Kitchen gilt als das schönste im ganzen Needles District des Canyonlands National Parks. Warum dem so ist, wurde uns nun klar. Die bizarren, turmartigen und farbintensiven Felsformationen sind einmalig. Kein Türmchen ist wie das andere. Ein verwunschene Landschaft voller toller Eindrücke. Stille, Abgelegenheit und die Gewalt und Macht der Natur wirkten auf uns ein.
Wir waren nun im Endspurt und hatten nur noch wenige hundert Meter bis zur Scharte und damit dem Ende des eigentlichen Chesler Park & The Joint Loop Trails zurückzulegen. Jetzt hier in der Devils Kitchen wird einem klar, weshalb dieser Distrikt The Needles heisst. Die turmförmigen Felsspitzen erinnern auch an Nadeln. Im Gebiet der Devils Kitchen gibt es auch einen Campingplatz sowie einen eigenen Trail, welcher tiefer hineinreicht als unser kürzerer Abschnitt heute.


Den letzten Teilabschnitt hatten wir auch noch gut geschafft. Die Scharte war erreicht und wir waren froh, zeitgerecht wieder hier zu sein. So langsam aber sicher machte sich Müdigkeit und Anzeichen von Erschöpfung bemerkbar. Es war eine lange und anstrengende Wanderung, und wir waren ja noch nicht am Ziel.

Der Parkplatz war noch über eine Stunde oder 180 Höhenmeter entfernt. So nahmen wir den Abstieg in Angriff. Es wurde merklich kühler und jeder Schritt fiel schwerer. Aber wir schafften es. Erschöpft aber um unzählige spektakuläre und bleibende Eindrücke reicher kamen wir zur Golden Hour beim Parkplatz an. Kurz nach Aufbruch nahmen wir noch einen jungen Amerikaner mit. Das machen wir sonst nie, aber wir hatten ein gutes Gefühl und schliesslich war es am Eindunkeln, und wir waren Mitten im Backcountry. Wie wir war auch er den ganzen Tag zu Fuss unterwegs. Allerdings hatte er sich verlaufen. Wie wir erfahren haben, wandert er weit abseits bekannter Wege und hatte sich verlaufen.

Er übernachtete mit seinem Kollegen auf dem Needles District Campground. Genau dorthin fuhren wir ihn. Er war natürlich sehr froh, denn das ersparte ihm einen mindestens einstündigen Fussmarsch im Dunkeln. Wir setzten ihn ab und machten uns nun definitiv auf den Weg zurück nach Moab. Beim Verlassen des Needles Districts kamen wir noch in den Genuss eines farbenprächtigen Sonnenuntergangs. Das Eindunkeln geht relativ schnell und so mussten wir den Canyonlands National Park im Dunkeln verlassen. Ich meine wirklich dunkel. Das wäre an und für sich kein Problem, wären da nicht die vielen nacht aktiven Wildtiere. Wir hatten ja schon erlebt, dass es sich Gruppen von Rehen auf dem warmen Asphalt gemütlich machen. Zudem werden sie vom Scheinwerferlicht angezogen. Also sollte man nicht zu schnell fahren und voll konzentriert sein. Ein Unfall mit grösseren Tieren kann fatale Konsequenzen haben. Es ging aber alles gut, aber wir sind ziemlich erschöpft zur späten Stunde in Moab angekommen.
