Auch heute gab es für unseren Jeep Wrangler wieder Auslauf. Wir wollten das Gebiet der Book Cliffs besser kennenlernen. Das hatten wir schon lange vor und heute sollte es nun endlich klappen. Doch bevor es losgehen konnte, gab es noch ein leckeres Frühstück im Eklectica Coffee & Collectables in Moab.

Ein ganz besonderer Ort für ein frisch zubereitetes Frühstück. Innen drin ist alles ziemlich überschaubar. Das Lokal bietet innwändig Platz für ungefähr zehn Personen. Die Einrichtung wie auch wie der Menueplan ist im alternativen Stil gehalten. Alles in noch etwas unkomplizierter als sonst schon in den USA. Alles wird frisch zubereitet. Man bestellt, bezahlt und sucht sich einen Platz. Wir entschieden uns für die Pancakes und wurden nicht enttäuscht. Vor und neben dem Lokal gibt es genügend Aussensitzplätze. Früh am Morgen war es noch ein wenig frisch, aber der Gedanke an die leckeren und frisch gebackenen Pancakes liess uns das vergessen. Die Bestellung wird freundlich und flink an den Tisch geliefert. Ein Nummerntäfelchen erhält man bei Aufgabe der Bestellung. Dieses nimmt man mit an den Tisch. So einfach läuft das. Als wir Moab verliessen, stauten sich die Fahrzeuge bei der Einfahrt zum Arches National Park auf zwei Spuren bis zurück zum Highway 191 ! Wir waren sicher, dass uns ein solcher Besucherandrang in den Book Cliffs nicht erwarten würde.

Idealerweise fährt man von Moab auf dem Highway 191 in Richtung Norden bis zur Interstate 70. Bei Crescent Junction erschliesst man dann die Book Cliffs über die nicht asphaltierte BLM 223. Der erste Abschnitt führt etwas hinauf und endet nördlich von Thompson Springs beim Eingang zum Sego Canyon. Wir fuhren diesen Abschnitt schon vor einigen Jahren und haben heute darauf verzichtet. So verzweigten wir bei Crescent Junction auf die Interstate 70 in Richtung Denver und nahmen danach die Ausfahrt nach Thomspon Springs. Dieses Örtchen liegt 60 Kilometer von Moab entfernt. Die Fahrzeit beträgt 45 Minuten. Thompson Springs hat etwas eigenartiges an sich. Die im Jahr 2010 gezählten 39 Einwohner sind eigentlich nie zu sehen, und wohl auch deshalb fühlt man sich immer irgendwie beobachtet. Schon Eingangs wird einem klar, dass Thompson Springs schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die auf 1’600 Meter Höhe gelegene Ortschaft gleicht einer Geisterstadt.

Benannt wurde sie nach E.W. Thompson, welcher im 19. Jahrhundert hier lebte und nördlich der Stadt am Fusse der Book Cliffs eine Sägerei betrieb. Thompson Springs erwachte im späten 19. Jahrhundert zum Leben, als die Denver & Rio Grande Railroad hier eine Haltestelle einrichtete und betrieb. Ein Post Büro wurde im Jahr 1890 eröffnet. Die Stadt war ein Zentrum für Farmer und Rancher, welche dieses unwirtliche und riesige Wüstenland mühselig bewirtschafteten. Thompson verzeichnete im frühen 20. Jahrhundert einen grösseren Wachstumsschub. Dieser war dem Abbau von Kohle im nahe gelegenen Sego Canyon zu verdanken. Der kommerzielle Abbau begann im Jahre 1911. Der Sego Canyon wurde per Eisenbahn erschlossen und an das Eisenbahnnetz bei Thompson Springs angeschlossen. Der Kohleabbau wurde bis zum Jahr 1950 betrieben und dann eingestellt. Das führte zwangsläuftig zum Niedergang von Thompson Springs. Als die Bahngesellschaft die Haltestelle aufhob und die Interstate 70 gebaut wurde, galt das Schicksal von Thompson Springs als beschlossen. Die heute hier Ansässigen sind wohl Aussteiger, die genau diese Stille und spezielle Atmosphäre suchen. Dennoch wurde der RV Park weiter ausgebaut und eine erste Informationstafel behelfsmässig aufgestellt (Bild oben). Sie wirkt etwas unscheinbar, stellt aber auf einfache Art alle Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung dar.


Zu diesen zählen die frühindianischen Felszeichnungen und Petroglyphen, welche sich am Eingang zum Sego Canyon befinden. Die gut erhaltenen Sego Canyon Rock Art Panels ziehen immer mehr Besucher an. Verschiedene frühindianische Kulturen haben sich an dieser Stelle verewigt. Die ältesten Darstellungen aus der Archaic Periode sind 9’000 Jahre alt, gefolgt von der Barrier Canyon Periode um 400 vor Christus. Die Barrier Canyon Periode hat die Arm- und Beinlose Darstellung von Personen als Hauptmerkmal. Genau so, wie wir es ein paar Tage zuvor im Horseshoe Canyon gesehen hatten (Link). Die «neuesten» Darstellungen sind 800 Jahre alt und dem Stamm der Ute zuzuschreiben. Vor Erreichen der Rock Art Panels macht ein einfaches Schild auf das Ute Reservat und das Zugangsverbot hoch oben in den Book Cliffs aufmerksam. Die Rock Art Panels liegen in der Höhe und sind deshalb nicht aus der Nähe direkt zu besichtigen.


Ein sehr schönes der Sego Canyon Rock Art Panels der Barrier Canyon Periode liegt auf Augenhöhe, jedoch auf Privatland. Bei unserem letzten Besuch war es eingezäunt und nur aus der Ferne zu betrachten. Das war heute anders. Der Zaun war offenbar vor längerer Zeit schon in sich zusammenbegrochen und wir schlossen daraus, dass das Panel nun wieder zugänglich war. So standen wir Auge in Auge mit den lebensgrossen Darstellungen. Die unten im Bild gut zu erkennenden Einschlusslöcher stammen selbstverständlich nicht von uns. Allerdings hatten wir das Panel anders in Erinnerung. Bei unserem ersten Besuch, als der Zaun noch nicht aufgestellt war, waren die Farben viel intensiver. Vielleicht hat das einfach mit den herrschenden Lichtverhältnissen zu tun, oder aber auch mit Erosion, Luftverschutzung oder anderen Zeichen der Zeit. Wir wissen es nicht, hoffen aber, dass der heutige Zustand erhalten bleiben kann.


Nach diesem interessanten und immer wieder auch lehrreichen Abstecher in die Vergangenheit wollten wir weiter in die Book Cliffs vordringen und fuhren tief in den Sego Canyon hinein. Aber schon nach wenigen hundert Metern der nächste Halt bei dem Sego Friedhof mit Gräbern aus der Gründerzeit von Thompson Springs und aus der Zeit der Erschliessung der Book Cliffs. Die Book Cliffs sind eine 320 Kilometer lange Anreihung von Tafel Bergen und Klippen und erstrecken sich über den Westen von Colorado sowie bis zum Price Canyon bei der Stadt Helper im Osten von Utah. Sie bestehen im wesentlichen aus Kreidefels, welcher sich vor 145 bis 66 Millionen Jahren bildete. Die Erscheinung der Cliffs erinnert an Bücherregale deshalb der Englische Name Book Cliffs. Wie schon erwähnt, wurden zurzeit der europäischen Besiedlung dieser eher unwirtlichen Gegend bedeutende Kohlevorkommen gefunden und erschlossen. Stillgelegte Kohleminen zeugen heute noch davon. Die Mineneingänge sind heute aus Sicherheitsgründen verschlossen, nachdem sich seit dem Jahr 1989 einige tödliche Unfälle ereignet hatten. Einige Backcountry Wanderer begaben sich in die verlassenen Minenschächte und sind infolge Sauerstoffmangel erstickt oder wegen dem Einatmen von Kohlendioxid vergiftet. Es wird auch behauptet, dass in den entlegenen Ecken der Book Cliffs auch wilde Pferde gesichtet werden können. Das wurde noch nicht bestätigt. Luchse, Koyoten, Bighorn Sheeps, Hirsche und Rehe aber auch Berglöwen nennen die Book Cliffs auf jeden Fall ihr zuhause.

Unser nächster Halt war in der Geisterstadt Sego (GPS Koordinaten: 39°02’02.4″N 109°42’10.8″W). Viel von ihr ist nicht übriggeblieben. Ein Autowrack mit den typischen Einschusslöchern sowie die Überreste zweier Gebäude und einer Eisenbahnbrücke sind stille Hinterlassenschaften einer weniger ruhigen Zeit, als im Canyon noch Kohleabbau betrieben wurde.


Die meisten Besucher kehren hier um, und nur wenige führen die Fahrt weiter durch den immer schmaler werdenden Sego Canyon. Man gewinnt ständig an Höhe. Die Strasse bietet keine grössere Herausforderung. Allerdings war sie an einigen Stellen ausgewaschen und mit tiefen Furchen versehen. Vor entgegen kommende Pickups wird gewarnt. Während unserer Fahrt tauchten zwei oder drei aus dem Nichts vor uns auf. Die Einheimischen kennen hier halt jede Kurve und jede Furche. Die gehen das etwas weniger vorsichtig an als wir. Das ist ja bei uns in den Bergtälern nicht anders. Ebenso tauchte ein Rudel Rehe auf, überquerte die Strasse und verschwand so schnell wieder im Wald, dass wir sie nicht fotografieren konnten. Etwas einfacher war es, die unglaubliche Weitsicht und die Pracht der herbstlichen Farben einzufangen. So hielten wir einige Male am Strassenrand an, um die Aussicht geniessen zu können.

Aufgrund der Höhe wurde es auch empfindlich kalt. Der Fahrtwind pfiff uns um die Ohren, und wir wünschten, wir hätten ein geschlossenes Auto. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass wir die Seitenscheiben unseres Jeep Wranglers nicht dabei hatten. Wir näherten uns einer Höhe von 2’600 Meter über Meer. Hier oben ging es zumindestens auf vier Rädern nicht mehr weiter. Als wir am obersten Parkplatz ankamen, vernahmen wir den Geruch von Pferden. Jetzt war auch klar, weshalb hier soviele Pickups unterwegs waren. Oben waren die Trailer für die Pferde parkiert. Wir befanden uns nicht nur am geschlossenen Eingang zum Ute Tribe Reservat sondern auch inmitten eines Reiterparadieses. Wir fanden noch eine Wassertränke und Hinweisschilder, zu welchen Zeiten der Pferde Sport im Ute Reservat ausgeübt werden kann.

Mangels Alternativen für den Rückweg ging es dieselbe Strecke wieder hinunter. Nun konnten wir erst den Blick in die Weite geniessen. Beim Bergauffahren konnte man die faszinierenden Weitsichten nur mittels einem Blick in den Rückspiegel warnehmen. Aber überzeugt euch selbst. Ist der nachfolgende Weitblick nicht dramatisch ?

Gleich nach dem faszinierenden Weitblick erforderte die Strassenführen vollste Konzentration. Auf sandigem Untergrund ging es teilweise recht steil bergab und fahrerseitig taten sich ungeschützte Abgründe auf. Ja nicht ins Rutschen kommen und das Fahrzeug immer unter Kontrolle haben, lautete die Devise. Das war bergauf doch einiges einfacher zu fahren. Alles ging gut und wieder unten beim Sego Friedhof angekommen, entschieden wir uns, noch kurz in den Thompson Canyon zu fahren. Dieser verläuft parallel zum Sego Canyon. Bei den Hinweistafeln in Thompson Springs hatten wir heute vormittag gelesen, dass beim Eingang zum Canyon noch eine verlassene Siedlung mit einem Dutch Oven besucht werden kann (GPS Koordinaten: 39°02’45.6″N 109°43’22.8″W).
Der Dutch Oven war sehr interessant und erinnerte uns eher an einen traditionellen, italienischen Pizza Ofen. Eigentlich versteht man unter einem Dutch Oven eine französische Gusseisen Pfanne mit Deckel zum Schmoren von Braten. Vielleicht hatten die italienischstämmigen Kohleminen- oder Landarbeiter hier auch leckere Pizzen gebacken. Wir wissen es nicht.

Nach diesem Abstecher in den Thompson Canyon wollten wir noch unbedingt zu einem ganz dramatischen Aussichtspunkt fahren. Gemäss den Bildern, die wir recherchiert hatten, sollte sich an einem der vordersten Punkte der Tafelberge der Book Cliffs ein Blick hinunter nach Thompson Springs und die beinahe unendliche Weite öffnen. Das Problem war aber, genau diesen Punkt zu finden. GPS Koordinaten hatten wir nicht, jedoch eine kurze Beschreibung in unserem Offroad Buch, welches wir jedem empfehlen können. Schon heute morgen wollten wir diesen Aussichtspunkt besuchen, konnten jedoch die Abzweigung nicht finden. Das sollte uns jetzt aber gelingen. Unmittelbar beim Sego Friedhof biegt man in die BLM 331 ab und folgt dieser während 2.2 Meilen (3.5 Kilometer). Nach ungefähr 10 Minuten biegt man nach links in ein unscheinbar wirkendes und nicht markiertes Seitensträsschen ab (GPS Koordinaten: 39°00’17.3″N 109°44’00.4″W). Nun muss man nur noch diesem Strässchen folgen, um ganz nach vorne zum Aussichtspunkt zu gelangen. Es ist eine sehr windige und enge Strasse und manchmal auch etwas ruppig zu fahren. Es geht aber ganz gut. Allerdings waren wir noch nicht ganz sicher, ob wir auf dem richtigen Weg waren. Die Richtung stimmte und wir waren uns bald ziemlich sicher, dieses mal den richtigen Abzweiger gewählt zu haben. Am Vormittag waren wir einfach daran vorbei gefahren. Nach 1.8 Meilen (2.8 Kilometer) waren wir am vordersten Ende des Tafelberges angekommen. Der letzte Abschnitt ist recht stark bewachsen, und grössere SUV haben hier wohl Probleme durchzukommen. Mit unserem kleinen, wenigen Jeep Wrangler war das aber eine einfache Angelegenheit. Die Mühe und Ausdauer hatten sich gelohnt. Eine absolut dramatische Aus- und Weitsicht erwartete uns bei tiefstehender Sonne. Die nachfolgenden Bilder können die Stimmung besser beschreiben als Worte.


Zu weit vor sollte man sich aus Sicherheitsgründen aber auch nicht wagen. Freier Fall nach unten wäre die Folge. Unglaublich, dass wir den Tag mit so einem Erlebnis hatten abschliessen dürfen. Vor uns lag nun noch eine trotz Mützen, Jacken und Handschuhen ziemlich erfrischende Freiluftfahrt ostwärts auf der Interstate 70 und über den Highway 128 entlang des Colorado Rivers und durch das Castle Valley zurück nach Moab. Dort sind wir gut und müde aber auch leicht unterkühlt angekommen.