Diesen schönen Montag wollten wir nutzen, um über den Urnerobden auf den Klausenpass zu fahren. Dieser sollte eigentlich schon längst offen und von den Schneemassen befreit sein. Doch diesen Sommer sollte es nicht so sein. Aufgrund von akuter Lawinen- und Steinschlag-Gefahr war die Passstrasse noch nicht geöffnet. Zudem fanden genau an diesem Montag kurz vor dem Ende des Urnerbodens noch Strassenarbeiten statt und die Strasse war in beide Fahrtrichtungen gesperrt.

So blieb uns nichts anderes übrig, als wieder umzukehren und auf dem Urnerboden zu picknicken. Wir suchten uns ein schönes Plätzchen und richteten uns ein. Der Urnerboden ist ein Hochtal und die grösste Alp der Schweiz mit einer ganzjährig bewohnten Siedlung. Das Hochtal ist acht Kilometer lang und von knapp 3’000 Meter hohen Bergen eingekeilt. Es gehört zum Kanton Uri, obwohl es geografisch jenseits der Wasserscheide auf der Glarner Seite liegt. Politisch ist es eine Exklave der Gemeinde Spiringen. Die kurvenreiche und berühmte Klausepassstrasse wurde im Jahr 1900 erbaut. Im Winter ist der 1’948 Meter hohe Klausenpass nicht befahrbar. Dann ist Urnerboden nur von Linthal im Kanton Glarus her zu erreichen, falls nicht Lawinen auch diesen Weg unpassierbar gemacht haben.

Bereits im Jahr 1315 wurde die Grenze zwischen Glarus und Uri genau abgesteckt. Damit nahmen jahrelange Streitigkeiten ein Ende, und die Ennetmärch (jenseits der Flurgrenze) gehörte fortan unbestritten den Urnern. Der Aufenthalt während des Winters war auf dem Urner Boden bis 1877 gesetzlich verboten. Heute bleiben rund 25 Bewohner während des Winters auf der Alp. 1899 erhielt das kleine Dorf eine eigene Schule, 1902 wurde sie eine ständige Kaplanei, die ab 1913 ihre Toten auf dem eigenen Friedhof begraben durfte. 1915 schliesslich erhielt Urnerboden eine eigene Kirche. 1935 lebten 250 Personen auf dem Urner Boden, 2003 waren es noch rund 40. Schule und Post wurden geschlossen.
Die Bewohner Urnerbodens leben überwiegend von der Alp- und Landwirtschaft. Bis zu 1’200 Kühe und 700 Rinder werden im Hochtal gesömmert. Während dieser Zeit werden die dortigen kleinen Käsereien zur Produktion von Alpkäse in Betrieb genommen. Auch der Tourismus ist seit der Eröffnung der Passstrasse eine wichtige Einnahmequelle. Im Sommer wird die Alp rege besucht.
Unterhalb des Clariden entspringt auf eine Höhe von 2’103 Meter über Meer der Fätschbach. Auf seinem Weg hinunter in die Linth durchfliesst er den Urnerboden. Unterhalb des Urnerbodens stürzt der Fätschbach in die Tiefe und bildet dort den «Berglistüber», einen der schönsten Wasserfälle der Schweiz.

Ein kurzer Wanderweg führt die Besucher hinter den Wasserfall. Die Felswand besteht aus circa 150 Millionen Jahre altem Quintnerkalk der sogenannten Griesstock Decke. Bei den darunter liegenden Schiefergesteinen handelt es sich um ungefähr 50 Millionen Jahre alte Flyschgesteine, die über dem Grundgebirge abgelagert und bisher kaum verfrachtet wurden. Aufgrund der enormen Wassermassen war das Spektakel heute besonders eindrucksvoll.
Auf dem letzten Teilstück ist Vorsicht geboten. Der Boden und das Gestein ist ziemlich rutschig. Wer dort hinunter fällt, kann sich nicht mehr retten. Bei weniger Wasser und Gischt kann man – sofern der steinige Untergrund trittsicher und nicht rutschig ist – hinter den Wasserfall gelangen. Das war heute nicht möglich. Der Untergrund war zu rutschig und die Gefahr des Ausrutschens viel zu gross. Also war kontrolliertes Risiko angesagt. Nach dem Besuch des Berglistübers ging es auf direktem Weg nach Hause.