Starker Regen zeichnete sich schon am Abend ab. Deshalb entschlossen wir uns, das Dach nicht zu öffnen, damit wir morgen mit «trockenen Tüchern» weiterfahren konnten. Es war zwar ein wenig eng, aber wir schliefen recht gut. Nach dem Frühstück checkten wir aus und erhielten noch einige wertvolle Hinweise über die vor uns liegende Strecke. Wie immer war man uns gegenüber auch hier sehr hilfsbereit. Es konnte losgehen !
Wir verliessen den hübschen und wirklich schön gelegenen «Camping Municipal de la Mer» frühzeitig, denn heute stand wieder einiges auf dem Programm. Südlich von Primel-Trégastel mussten wir einige zweisprachige, Strassenschilder fotografieren. Der Ortschaftsname in Französisch wird mit dem Bretonischen ergänzt. Wir wissen nicht mal, wie man das ausspricht. Das Bretonische ist eine keltische Sprache. Es gehört wie das Walisische, das Kornische und das ausgestorbene Kumbrisch zur Untergruppe der britannischen Sprachen. Bretonisch wird in der Bretagne von rund 260’000 britophonen Bretonen gesprochen und ist damit die einzige moderne keltische Sprache, die auf dem europäischen Festland verbreitet ist.
Die Hauptverbreitungsgebiete sind das Département Finistère und der jeweils westliche Teil der Départements Côtes-d’Armor und Morbihan. Kurz danach mussten wir wieder spontan anhalten. Auf der Beifahrerseite öffnete sich der Blick auf einen Schiffsfriedhof. Das musste unbedingt fotografiert werden. Wann sieht man schon so etwas Spezielles.

Der Halt hatte sich auf jeden Fall gelohnt, auch wenn man nicht direkt bis hinüber zu den Schiffwracks gelangen kann. Unsere Fahrt führte uns weiter zur jungsteinzeitlichen Megalithenanlage von Barnenez in der Gemeinde Plouezoc´h auf der Halbinsel Kernéléhen im nördlichen Departement Finistière. Barnenez entstand etwa 4’500 vor Christus und ist damit eine der ältesten Megalithanlagen der Welt. Zur Zeit seiner Erbauung überblickte der Hügel eine fruchtbare Tiefebene, die heutige Bucht von Morlaix. Er hat gewaltige Abmessungen. Das 13’000 bis 14’000 Tonnen wiegende Bauwerk ist 72 m lang sowie bis zu 25 m breit und 8 m hoch. Die Megalithenanlage von Barnenez beherbergt insgesamt 11 Dolmen Gräber. Sie bestehen aus Stein-, Schiefer- und Granitplatten. Alle elf Dolmen haben einen langen Gang und wurden parallel angeordnet, die Kammern unterscheiden sich in Form und Bauweise leicht. Die Breite des über 72 m langen und ca. 6 m hohen Hügels wird auf ursprünglich 8 bis 9 m geschätzt.

Neun schmale Gänge führen in eine Kammer aus Kraggewölbe, das auf Tragsteinen ruht und in einem Fall vom Boden ausgeht. Für die Wände wurden Trockensteinmauern oder Steinplatten benutzt. Alle Gänge wurden horizontal mit Überliegern abgedeckt. Ein Dolmen besitzt eine Vorkammer mit einer Kuppel aus Kragsteinen. In drei Dolmen sind Gravierungen vorhanden. Sie zeigen Bögen, Beile und Wellensymbole. Eine der gravierten Steinplatten stammt aus einem anderen Dolmen und wurde im Tumulus von Barnenez sekundär verwendet. Tonscherben, die auf dem Vorplatz gefunden wurden, belegen, dass das Bauwerk bis in die Bronzezeit genutzt wurde.

Als Anfang der 1950er Jahre Steine zum Strassenbau abgetragen wurden, stiess man auf die teils mit Kraggewölben versehenen Dolmen, die die megalithische Einstufung des ansonsten aus kleinformatigem Gestein in zwei Phasen aufgeschichteten Tumulus begründen. Die Anlage wurde als Steinbruch genutzt, bis sich 1954 die Gemeinde einschaltete, um das Grab zu schützen. Zwischen 1954 und 1968 wurde es restauriert und von Pflanzenwuchs befreit. Ebenfalls erfolgten Ausgrabungen um die gesamte Anlage, deren Ergebnisse heute in der Ausstellung im Empfangsgebäude zu besichtigen sind.
Nach diesem äusserst interessanten Abstecher in die Vergangenheit wendeten wir uns wieder der Gegenwart zu und fuhren wir nordwärts zur Stadt Carantec. Die 3’200 Einwohner zählende Stadt liegt am nordwestlichen Ende der Bucht Baie de Morlaix, zwischen der Mündung der Penzé im Westen und des Morlaix im Osten, auf einer Halbinsel, an der sich steile Felsufer und Sandstrände abwechseln. Der Ort ist seit über hundert Jahren ein beliebtes Seebad und Urlaubsziel vor allem französischer Touristen. Viele Einwohner aus dem Grossraum Paris besitzen hier ein kleines Ferienhäuschen. Es gibt mehrere Strände, die vorgelagerte Insel Callot, die bei Ebbe zu Fuss erreichbar ist, sowie eine Uferpromenade mit vielen Aussichtspunkten.

Als wir ankamen, herrschte noch Marktbetrieb. Verschiedene lokale Anbieter präsentieren ihre Waren. Dazu gehörten selbstverständlich allerlei Meeresfrüchte, Käse, Früchte und Gemüse, Wurst- und Fleischwaren und Süssigkeiten. Wir kauften auch fleissig ein und deckten uns mit Gateaux Breton, Kouign Amann, bretonischem Käse und Terrine ein. Der Käsehändler scherzte noch und fragte uns, ob wir Appenzeller Käse kaufen möchten.

Kouign Amann ist ein beliebter bretonischer Kuchen, eine Art runder und dicker Fladen. Er besteht aus einem groben Blätterteig, der abwechselnd aus Schichten von Brot Teig, gesalzener Butter und Zucker besteht. Während des langsamen Backens durchdringen Butter und Zucker die einzelnen Teigschichten und geben ihnen eine zart schmelzende Textur. Zucker und Butter, die sich am Boden sammeln, karamellisieren dort und bilden eine wohlschmeckende Kruste. Absolut köstlich, einfach mal die Kalorien nicht zählen, sondern nur geniessen.

Die Süssigkeiten verzehrten wir genüsslich am Plage de la Grève Blanche. Dort herrschte reges Treiben, und wir konnten uns gut vorstellen, wie es hier wohl in der Hauptreisezeit aussehen mag. Weiter ging es nun Richtung Westen zum Küstenabschnitt bei An Amied, ohne jedoch unterwegs bei Mogueriec den Phare de Mogueriec kurz zu besichtigen.
Unser nächstes Ziel war die weiter westlich gelegene Küste bei An Amied mit dem unglaublich gelegenen, alten Wachthaus Corps de garde des Amiets. Dieses Wachthaus wurde im Jahr 1744 als Relaisstation erbaut.
Von hier wurden im Falle der Bedrohung durch feindliche Schiffe optische Nachrichten zwischen den Wachthäusern von Lavillo (1.5 Kilometer westlich) und Théven Bras (1.5 Kilometer östlich – nicht mehr vorhanden) ausgetauscht. Es gibt in diesem Küstenabschnitt tolle Felsformationen.

Dieser Küstenabschnitt ist wirklich sehr schön, auch wenn der rosa Granit hier nicht mehr anzutreffen ist. Entlang der Küstenstrasse in Richtung Westen gibt es immer wieder Möglichkeiten, tolle Spots zu entdecken. Ein solcher ist der Phare de Pontusval bei Brignogan Plage. Zahlreiche Schiffsunglücke entlang dieses Küstenabschnittes führten zur Erbauung dieses Leuchtturms, welcher am 15. September 1869 in Betrieb genommen wurde. Er dient als Relaisstation zwischen den Leuchttürmen der Île Vierge und der Île de Batz. Aufgrund der zunehmenden Anzahl der Schiffsunglücke wurde der 18 Meter hohe Leuchtturm in grosser Hast erstellt und in Rekordzeit fertiggestellt. Von der Bewilligung bis zur Inbetriebnahme verstrichen weniger als zwei Jahre.

Ganz in der Nähe des Leuchtturms befindet sich der 8.5 Meter hohe Menhir von Men-Marz. Man sieht noch die Felsformationen, von denen er losgebrochen wurde. Es gibt eine Reihe von Beispielen für geologisch bewiesene Transporte über drei bis vier Kilometer (z. B. die Menhire von Plouarzel und Dol). Verwendet wurden unregelmäßige Felsblöcke aus Quarz, Quarzitoder Konglomerat, sowie Platten aus Schiefer. Vorgezogen wurde aber Granit. In den meernahen Felsenmeeren des Granits hatten die Steinblöcke zum Teil durch Erosion bereits die gewünschte Form. Felsen die ein wenig vorsprangen, konnten leicht gelöst werden. An einer Seite erkennt man den frischen Bruch, auf den anderen sind sie abgewettert und gerundet. Dies erklärt das Aussehen vieler Menhire aus Granit. Untersuchungen zeigten, dass ihre Basis einige Dezimeter (aber auch mehrere Meter) in die Erde eingelassen ist und mit kleineren Steinen verkeilt wurde. Selten trifft man auf Menhire mit ebener Basis, die ohne Stützung im Gleichgewicht waren. Am Boden sind Scherben grober Tonwaren, Feuersteinabschläge, polierte Steinäxte oder Teile von Mahlsteinen zu finden. Einige Steine weisen Feuerspuren auf, teilweise findet sich Holzkohle, weil die Steinsetzung mit dem Ausfeuern der Grube begann. Durch Aufstellen eines christlichen Kreuzes wurden zahlreiche Menhire christianisert. So auch der Menhir von Men-Marz.

Archäologische Funde gestatten, sie in die vorgeschichtliche Kulturenabfolge der Bretagne einzuordnen. Durch den C-14-Gehalt von Holzkohle, die in einigen wenigen Fällen unter den Steinen gefunden wurde, konnte man bestimmen, dass sie während der Jungsteinzeit vor etwa 6000 Jahren aufgestellt wurden.
Die Menschen, die die grössten Steine Europas aufrichteten, waren sesshaft, bauten Getreide an, betrieben Viehhaltung, lebten in Holzhäusern, sammelten Früchte, jagten und fischten. Sie glätteten harten Stein, bearbeiteten Feuerstein und stellten gebrannte Keramik her. Ihre Kleidung bestand aus Fellen und grobgewebten Stoffen.
Nicht ganz so alt wie der Menhir ist die Chapelle Saint Pol. Natürlich hielten wir hier kurz an. Die alten Kreuze, ein interessanter Turmbau sowie die Kapelle sind auf jeden Fall einen Besuch wert.
Der Glockenturm dieser im 16. Jahrhundert erbauten und im 19. Jahrhundert wieder aufgebauten Kapelle ragt stolz zwischen den Steinen empor. Gleich daneben sollte ein unter dem Kommando Vaubans stehendes steinernes Wachhaus vor englischen Angriffen warnen.
Die Gegend ist wirklich reich an Sehenswürdigkeiten. Wir schlossen den heutigen Tag mit einem Besuch des alten, zwischen Felsten erbauten Wachthauses beim Algenfischer Dorf Meneham ab. Das hinter riesigen, bizarr geformten Felsbrocken versteckte malerische Fischerdorf mit seinen typische gedeckten Häusern hat sich seinen Charme aus alten Zeiten bewahrt.

So, nun war es Zeit, den heutigen Tag abzuschliessen. Wir entschieden uns, auf dem Camping de la Côte des Légendes zu übernachten. Dieser liegt direkt am Meer in unmittelbarer Nähe der zuletzt besuchten Sehenswürdigkeiten. Von den Stellplätzen, welche hinter den Dünen liegen, führt ein Weg direkt zum schönen und weitläufigen Strand. Selbstverständlich durfte da ein abendlicher Strandspaziergang nicht fehlen. Ein toller und erlebnisreicher Tag ging zu Ende und damit wohl auch der bisher längste und umfangreichste Blog Eintrag.

Photo Galerie «Ein Tag in der Bretagne»