Wir unternehmen eine Zeitreise zurück in den Kalten Krieg

Am Tag zuvor fuhren wir von Moab über Salt Lake City über die Interstate 15 nach Pocatello im Bundesstaat Idaho. Dies war die erste 636 Kilometer lange und knapp 7 Stunden dauernde Etappe hinauf nach Seattle im Bundesstaat Washington. In American Fork, einem südlichen Vorort von Salt Lake City, liessen wir noch kurz den fälligen Ölwechsel und die Fahrzeuginspektion durchführen. Am frühen Abend sind wir dann gut im Hampton Inn in Pocatello angekommen. Gross unternehmen mochten wir nichts mehr und haben uns im Hotel selbst verpflegt.

Das knapp 55’000 Einwohner zählende Pocatello liegt auf knapp 1’360 Meter über dem Meeresspiegel in der Snake River Plain im Südwesten von Idaho und reicht bis in das Power County. Pocatello ist von der Fort Hall Indian Reservation umgeben, in der die Shoshone-Bannock-Indianer leben. Die Stadt entstand als Handelsstation von Pelzhändlern und wuchs dank eines Goldrausches und als Haltepunkt der Utah and Northern Railway, einer der wichtigsten Ost-West-Verbindungen für den inner-amerikanischen Güterverkehr.

Pocatello in Idaho
Als das Benzin noch günstig war

Der Name Pocatello stammt von dem Indianerhäuptling Pocatello, der den Bau der Eisenbahn durch die Indianerreservation hindurch genehmigte. Sehenswert ist der alte Stadtkern mit historischen Gebäuden, zu denen auch die Pocatello High School gehört, die schon 1897 gegründet wurde. Bemerkenswert sind ausserdem die alten Bahnanlagen der Union Pacific Railroad.

Pocatello in Idaho

Nachdem wir die Innenstadt von Pocatello kurz besichtigten, wollten wir noch einen kurzen Abstecher zum Fort Hall unternehmen. Dieser im Jahr 1856 aufgegebene Handelsposten wurde orginalgetrau wiederaufgebaut und wird heute als Museum geführt. Im Jahre 1834 reiste der Geschäftsmann Nathaniel Wyeth nach Wyoming um  dort vertragsgemäss die dort versammelten Trapper der Rocky Mountain Fur Company mit Vorräten zu versorgen. Mit dem erwarteten Gewinn wollte er daraufhing weiter im Westen am Columbia River Lachse fischen und diesen  daraufhin nach Hawaii und Neuengland exportieren. Doch die Rocky Mountain Fur Company war insolvent und konnte den Vertrag mit Wyeth nicht erfüllen. Wyeth musste seine Pläne ändern und eröffnete in der Nähe ein Fort, um die Güter dort an Trapper und Indianer zu verkaufen. 1834 war der Bau des Forts beendet. Damit war das Fort der erste Aussenposten im damaligen Oregon Country. Fort Hall lag am Ende der gemeinsamen Strecke des Oregon Trails, des California Trails und des Mormon Trails.

Die Hudson’s Bay Company versuchte Wyeth durch die Errichtung eines eigenen Forts – Fort Boise – an der Gabelung des Boise Rivers mit dem Snake River aus dem Handelsgeschäft zu verdrängen. Aufgrund ihrer Finanzkraft konnten sie den Trappern höhere Preise für Pelze bieten und verkauften Vorräte zu tieferen Preisen. 1837 musste Wyeth Fort Hall der Hudson’s Bay Company verkaufen. Mit der zunehmenden Migration von Siedlern auf den drei Auswanderer-Pfaden nach Westen entwickelte sich Fort Hall in den 1840er Jahren zu einem zentralen Handelsposten. Mit dem Oregon-Kompromiss ging 1846 das ganze Gebiet des Oregon Countrys an die USA über, wodurch die britische Hudson’s Bay Company zunehmend einen schweren Stand hatte. Mit dem abnehmenden Migrationsstrom wurde das Fort 1856 aufgegeben und zerfiel in der Folge.

Fort Hall Replica in Pocatello, Idaho
Fort Hall Replica in Pocatello, Idaho

1864 errichtete Holladay Stage Lines etwas weiter südöstlich eine Wagenstation, die wiederum Fort Hall genannt wurde. Zur Errichtung wurden im Wesentlichen Baumaterialien des alten Forts verwendet. Die Wagenstation wurde ein Jahr später allerdings bereits wieder aufgegeben.

Am 20. Januar 1961 wurde der Standort zur National Historic Landmark erklärt. Im Rahmen der Vorbereitungen für das 100-Jahr-Jubiläums des Idaho-Territoriums wurde 1962 entschieden, das alte Fort wieder in Pocatello nachzubauen. Es wird heute als öffentliches Museum unter dem Namen Fort Hall Replica betrieben (Quelle: Wikipedia).

Doch leider mussten wir vor Ort erfahren, dass das Fort Hall Replica in der Wintersaison geschlossen ist. Schade, das wäre bestimmt interessant und lehrreich gewesen. So fuhren wir unverrichteter Dinge weiter in Richtung Norden auf der Interstate 15 nach Blackfoot, wo wir auf den Highway 26 in Richtung Nord-Osten abbogen.

Fort Hall Casino
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Unser Ziel war der Bereich rund um Atomic City sowie das Craters of the Moon National Monument. Die lokalen Medien berichteten, dass der Highway 26 nördlich von Pocatello am Vortag teilweise wegen Überschwemmungen gesperrt war. Das konnten wir uns nicht vorstellen. Wegen Schnee ja, aber Überschwemmungen ? Das klärte sich auf dem Weg ostwärts relativ schnell. Der Highway war wieder geöffnet, aber die Spuren der Überschwemmungen vom Vortrag waren noch gut zu sehen. Die Unmengen an Schmelwasser werden vom noch gefrorenen Boden nicht aufgenommen. So entsteht vorübergehend eine regelrechte Seelandschaft. Die Wassermassen haben dann offenbar die Strasse überschwemmt. Die Wasserpegel reichten auch heute noch bis zur Strasse und einigen, glücklicherweise leicht erhöht gebauten, Häusern hoch.

Wir verliessen nun langsam aber sicher bewohntes und bewirtschaftetes Land und durchfuhren auf dem Highway 26 ein karge, im Winter eiskalte und im Sommer brütend heisse, Hochebene (Plain). Auf dieser Hochebene waren seit dem Jahr 1949 auf einer Fläche von ungefähr 2’500 Quadratkilometern mehr als 50 Atomreaktoren in Betrieb. Das ist ein weltweiter Minusrekord. Hier wurde im Geheimen geforscht und entwickelt. Welche Aktivitäten heute noch ausgeführt werden, ist nicht erwähnt. Es gibt aber Sperrbereiche, welche nur mit Bewilligung betreten werden dürfen.

Idaho National Laboratory
Weltweit höchste Dichte an Atomreaktoren

In den 1950er und 1960er Jahren wurde über die gesamte Hochebene für den Durchgangsverkehr ein absolutes Halte- und Aussteigeverbot verhängt. Dies wohl aus zwei Gründen. Zum Einen befürchtete man Spionage und zum Anderen atomare Verseuchung. Wir näherten uns dem Experimental Breeder Reactor I. Dieser war ein Versuchsreaktor, der als weltweit erster Kernreaktor am 20. Dezember 1951 elektrischen Strom erzeugte, sowie der erste funktionierende Brutreaktor. In diesem Reaktor wurden auch mehrere andere Technologien erstmals umgesetzt. Er war bis 1963 in Betrieb und ist heute für Besucher zugänglich.

Experimental Breeder Reactor
Im Hintergrund rechts das Reactorgebäude und im Hintergrund der Big Southern Butte

Wir fuhren auf der Nebenstrasse zum Gelände des Reaktor Gebäudes und mussten leider feststellen, dass dieses im Winter geschlossen ist. Schade, es wäre interessant gewesen, dem Innenleben und der Geschichte des aus rotem Backstein erstellten Reaktor Gebäudes näher zu kommen.

Experimental Breeder Reactor
Experimental Breeder Reactor I

So beschränkten wir uns auf das Studium der öffentlich zugänglichen Informationstafeln und beiden den ausgestellten und immens grossen Prototypen für Nuklearantriebe für Flugzeuge. Diese sind draussen aufgestellt. Zum Einsatz kamen sie nie. Man stelle sich das Flugzeug vor, welches benötigt worden wäre, um einen solchen Antriebsgiganten zu beherbergen.

Experimental Breeder Reactor
Die beiden Prototypen der atomar betriebenen Flugzeugmotoren

In dieser Anlage wurde im Jahre 1951 zum ersten Mal in der Geschichte Atomraft friedlich genutzt, indem vier Birnen zum Leuchten gebracht wurden. Nutzstrom wurde hier allerdings nie erzeugt. Die Anlage diente Forschungszwecken. Der nachfolgende Dokumentarfilm hat sich diesem Thema angenommen. Es ist heute unvorstellbar, mit welcher Naivität zu dieser Zeit mit dieser Angelegenheit umgegangen wurde.

Aber nun genug zu diesem Thema. Auf der Hochebene sind fünf verschiedene Vulkankegel zu erkennen. Der höchste davon, der Big Southern Butte liegt in nicht weit entfernt vom Experimental Breeder Reactor I. Man stelle sich die Aussicht von dort oben vor. Gemäss Internet führt eine Offroad Strasse zum Gipfel hinauf. Das wäre noch etwas für einen nächsten Besuch.

Big Southern Butte
Big Southern Butte

Wir fuhren nun weiter mit der Absicht das Craters of the Moon National Monument zu besuchen. In der Ortschaft Arco ändert der Highway 26 seine Richtung, und man fährt süd-westlich. In der Ortschaft Arco scheinen die Uhren noch anders zu gehen. Es hat Charme und wirkt etwas verschlafen, als würde es von vergangenen, besseren Zeiten träumen. Kurz nach Arco mussten wir die Fahrbahn noch mit einem Rudel Rehe teilen. Wir fuhren langsam hinter ihnen her, bis sie sich entschieden haben, das Weite zu suchen.

Ein Rudel Rehe auf dem Highway 26 kurz nach Arco
Ein Rudel Rehe auf dem Highway 26 kurz nach Arco

Wenig später gab es dann aber kein Weiterkommen. Die Strasse war aufgrund von heftigen Schneefall, welcher vergangene Nacht niederging, gesperrt. Somit wurde nichts aus unserem Plan das Craters of the Moon National Monument zu besichtigen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als den Weg nach Pocatello zurückzufahren, um über die Interstate 84 nach Boise, unserem Tagesziel, zu gelangen. Das ist ein klassisches Road Trip Erlebnis.

Arco
Hier gab es für uns kein Weiterkommen

Das gab uns noch die Möglichkeit, über eine nicht asphaltierte Strasse zum 25 Einwohner zählenden Örtchen Atomic City zu fahren. Früher hiess die Siedlung Midway, was wohl darauf zurückzuführen war, dass sie auf halber Strecke zwischen den Orten Blackfoot und Arco liegt. Der Ort hatte deutlich mehr Einwohner, als die benachbarte Einrichtung de5 Amerikanischen Energiebehörde noch grösser war. Zurzeit gibt es im Ort einen Laden und eine Bar, wobei der Laden aufgrund von neuen gesetzlichen Auflagen betreffend der unterirdischen Tankanlagen keinen Treibstoff mehr verkauft. Die meisten der hier aufgewachsenen Menschen sind inzwischen fortgezogen und die meisten der momentanen Bewohner sind im Ruhestand, davon leben die meisten unter der Armutsgrenze. Es gibt am Südrand der Stadt einen Standplatz für Wohnmobile und im Sommer werden Stock-Car-Rennen veranstaltet.

Atomic City
Wolkenschauspiel am Himmel kurz nach Atomic City

Die Fahrt nach Boise auf der Interstate 84 verlief ohne Probleme und wir sind am frühen Abend gut im Quality Inn & Suites in Boise, der Hauptstadt des Bundesstaates Idaho, angekommen. Unser Zimmer war zweckmässig und mit neuen Betten und einem neuen Teppich ausgestattet. Heute gingen wir anders als gestern auswärts essen. Unsere Wahl fiel auf das Goodwood BBQ. Der Burger und das Pulled Pork waren ausgezeichnet und die Wartezeit von rund einer halben Stunde mehr als wert.

Ein erlebnisreicher Tag ging so zu Ende. Morgen geht es weiter in Richtung Norden mit Portland als Tagesziel.

 

Photo Galerie und Lightbox Show
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